Donnerstag, 26. Mai 2011

Diplomarbeit die I.

Ich habe mich dazu entschlossen, beginnend mit jetzt, fortgesetzt mit wann auch immer (oder nie), kleine Bausteine auf dem Weg zu meiner Diplomarbeit hier zu veröffentlichen. Auch weil sich's irgendwo geschrieben besser korrekturliest.
Das Thema: "Das Auftauchen und die Rolle nationaler Elemente in der Identität am Beispiel von in Österreich sozialisierten SchülerInnen"
Also (noch nicht einmal korrekturgelesen, Quellen noch nicht ergänzt), das Verständnis von Bourdieus Habitus-Konzept meinerseits auf recht verdichtete und noch unzureichende Art und Weise wiedergegeben - nur für jene, die sich's wirklich antun wollen :)




Der Habitus
Pierre Bourdieu hat den Habitus als in den Körper eingegangenes Soziales (* S.120) identifiziert. Das Sein eines Subjekts formt sich durch die Erfahrungen, welche ihm – auch und insbesondere körperlich – widerfahren beziehungsweise erfährt es im Umgang damit sinnliche Prägungen, in dem es Erfahrungen macht. Natürlich ist ein Subjekt nie im Stande, keine Erfahrungen zu machen, was das stetig Prozesshafte des Subjekts schon andeutet – dem kommt im Rahmen der Auseinandersetzung mit Identität aber später die notwendige Bedeutung zu. Dennoch ist der Habitus etwas, das eine relativ stabile, möglicherweise treffender als träge zu bezeichnende Charakteristik aufweist. Ist er mit neuen Situationen konfrontiert, zu deren Bewältigung das bisherige Instrumentarium nicht ausreichend in der Lage ist, so zeigt sich der Habitus dadurch, dass er wenig flexibel auf diese zu reagieren im Stande ist. Generell stellt Bourdieu fest, dass der Habitus als solcher nur in derartigen Situationen „enttarnt“ wird. (* S. 122 – Zitat?) Im Gegensatz dazu ist er in den Situationen, in denen er sich als solcher formiert(e) und mit denen er ausreichend zu Rande kommt, nicht augenscheinlich.
Der Habitus verleiht einem die Fähigkeiten, um sich in dem, was man als Welt begreift, relativ unproblematisch zurecht zu finden. Das „was man als Welt begreift“ könnte man in diesem Sinne treffender Weise als „Erfahrungswelt“ bezeichnen, da die teils bewusst, teils unbewusst bekannten Erfahrungen (welche nicht zwangsläufig alle selbst gemacht werden müssen) die eigene Welt determinieren: „So neigen [die Menschen“] dazu, das Mögliche für das allein Mögliche, das Erreichbare für das Angemessene zu halten, sich also der gegebenen sozialen Ordnung ohne viel Nachdenken einzufügen.“ (S. 125/vgl. Feine Unterschiede 1979/19999 734 f.)
Neben anderen meint auch Bourdieu das Soziale als immerwährenden Kampf zu erkennen. (* +Zitat aus Krais 1989, 52 oder Schwingel 1993, 13) Er drückt in seiner Theorie eindeutige Ansätze aus, die zum Beispiel jenen des Positivismus oder der lange als klassisch naturwissenschaftliche geltenden Herangehensweisen zuwider laufen. Es ist keineswegs davon auszugehen, dass der Mensch a priori rational handelt – vielmehr kann rationales Handeln als derartige Definition nur innerhalb des Sozialen konstituieren, nicht bereits davor gewesen sein oder daneben. Somit ist zum Beispiel der Ansatz von Rational Choice selbst ein Teil des Habitus, das sich erfahrungs- und situationsabhängig als probate, erfolgversprechende Herangehensweise dargestellt hat.
Wie auch die Summe an Erfahrungen begrenzt ist, ist es natürlich auch der Habitus. Der Habitus ist, wie bereits erwähnt, durch die Erfahrungswelt begrenzt – da es dem Menschen in der Tat nicht möglich ist, jenes zu denken, was über sein Vermögen hinausreicht. Diese Tatsache wird immer wieder dazu im Stande sein können, ihn vor ihn zwangsläufig verstörende Verhältnisse und Vorkommnisse zu stellen, zu deren erfolgreicher Auseinandersetzung der Habitus, den er dagegen ins Gefecht ziehen lässt, nicht ausreichen kann. Nichtsdestotrotz war ebenso schon davon die Rede, dass der Habitus dem Subjekt als durchaus stabile Rahmenbedingungen dient, innerhalb derer es sich doch wiederum auf gewisse Weise frei und selbstbestimmt verhält. Die Denkbarkeit der Möglichkeiten dieser zumindest partiellen Selbstbestimmung ist ein wesentlicher Aspekt von Bourdieus Ansatz, welche diese im gegenzahlreichen anderen Theoretikern – wie zum Beispiel Louis Althusser – gewinnbringend ergänzt. Diese Freiheit innerhalb gewisser Verhältnisse verunmöglicht es überdies auch theoretisch (praktisch ohnehin, da niemand in der Lage wäre, das dafür notwendige, einen Menschen allumfassende Wissen zu akkumulieren), jegliche Aktion und Reaktion eines Subjekts vorherzusagen. (Zitat, Feine Unterschiede 1979/1999, 33)
Vor ein analytisches Problem stellt einen die Annahme, dass der Habitus vor allem oder nur dann in zufriedenstellendem Ausmaß erfolgreich funktioniert, wenn dies unterbewusst von statten geht und somit keine Reflexion darüber erfordert. Aus der Sicht des Forschers stellt dies in der Folge ein Problem dar, da man ihn empirisch schlecht bis kaum fassen kann. Hat man sich – wie in diesem Falle - aber aus wohlüberlegten Gründen für diese, weil als adäquat erachtete Perspektive entschieden, so ist die Beibehaltung derer dem Anspruch an Integrität geschuldet.
Das Konzept des Habitus provoziert alle, die in den Traditionen der Subjektphilosophie und des rationalen Handelns zu denken gewohnt sind, weil es nicht von einem normativen Subjektbegriff ausgeht und die Menschen als Ensembles aus objektivierter und inkorporierter Gesellschaft bzw. Geschichte auffasst.(S. 134)