Nach einem für mich bisher recht erfreulichen Fußballherbst war ich sportlich gesehen in guter Stimmung und im Besitz von vier Karten für Heim- bzw. Auswärtspartien meiner Grünen. Der Musikherbst ließ sich zunächst etwas schleppender an, doch auch das sollte sich binnen einer Woche ändern. Der einzige wahre Lichtblick war bis dahin der großartige Chuck Ragan, doch auf einmal ließ sich entdecken, dass auch Muff Potter gemeinsam mit Chris Wollard & The Ship Thieves (übrigens neben Chuck der zweite Hot Water Music-Sänger), Frank Turner sowie Strike Anywhere mit Dead To Me in Wien vorstellig werden sollten. Davon motiviert ging's zur Jugendinfo auf eine Runde Tickets.
Mit dem dadurch ausgelösten, unbedachten Freigeben einer Gefühlsregung war der Anstoß zu dem was folgt auch schon gegeben: „Freut sich auf sein persönliches Kulturprogramm für Herbst: 4x Stadion, 4x Konzert“ war auf meinem Profil eines Social Networks zu lesen. Es dauerte nicht lange, bis die drohende Frage an mich gestellt wurde, wie ich denn Fußball als Kultur bezeichnen könne. Zunächst war ich doch ziemlich perplex und konnte mir nicht erklären, wie und warum man Fußball als nicht-kulturell ansehen kann. Als spontane Idee kam es mir, auf dieses Posting äußerst provozierend mit einem „Und Sie, mit Verlaub, sind ein blöder Bauer“ zu reagieren. Dadurch hätte ich das Gespräch folglich auf sehr niedrigem Niveau in ein Zementbett gestoßen. Vor allem aber hätte es letztlich nur Falsches reproduziert. Beim zweiten Nachdenken darüber kam ich dann für mich zu dem Schluss, dass ich keinen Sinn darin sehe, Teil eines Gesprächs zu sein, das uns beide dümmer macht. Somit fiel meine Antwort anders aus, vielleicht sogar hinterlistiger. Ich fragte mein Gegenüber, was denn Kultur sei. Auf diese Frage war kaum eine zufriedenstellende Antwort zu geben, wie ich selbst während meines Studiums als auch privat feststellen konnte und immer wieder kann, wenn ich mir so meine Gedanken mache. Doch das Nichtvorhandensein einer zufriedenstellenden Antwort macht das Stellen der Frage keineswegs überflüssig, eher im Gegenteil. Sollte eine Antwort überhaupt jemals als zufriedenstellend angesehen werden? Ich glaube nicht, aber ich schweife ab.
Als Reaktion kam zunächst Unverständnis, so als wisse doch jeder, was Kultur sei. Dann konnte die Antwort ja auch nicht so schwer zu finden sein, oder? Der erste Versuch der Beantwortung meines Kritikers lautete nun: Kultur beinhaltet Bilder (?!), Musik, Theater - „Kunst“ im allgemeinen (was immer man dann auch darunter versteht, dachte ich mir), Bücher und so Zeugs. Nicht ganz überrascht wollte ich wissen, ob Fanchoreographien (also Bilder bzw. Theater), Chants oder zum Beispiel Bücher über Fußball noch Kultur sind, oder schon nicht mehr. Ich erhielt keine Antwort.
...jetzt wird’s ein wenig abstrakt (& ich schweife endgültig ab)
So war das dann. Ich konnte daraus viel mitnehmen, das mich weiter beschäftigte. Ich kam bei diesem Mal zu dem Schluss, dass Kultur etwas ist, das uns in den Strukturen innerhalb „unserer“ Vorstellungen von Realität hält und uns auch (zumeist nur temporär) daraus ausbrechen lässt. Natürlich ist auch diese Definition keinen Deut besser oder umfassender als die meines ehemaligen Gesprächspartners. Sie bot mir aber einen für dieses Mal guten Ansatz, mich weiter damit auseinander zu setzen. Nach diversen Anregungen muss ich gestehen, dass die Gedankensprünge recht groß sind... aber so ist das nun mal. Möglicherweise wird deshalb laufend da & dort noch was ergänzt, um den Text nachvollziehbarer zu machen. Zu Verhältnissen von Realität bzw. Kultur zB: Realität steht für mich für die Strukturen, in denen wir uns bewegen - sie ist also nicht absolut; Kultur ist das WIE wir uns in den Strukturen bewegen, recht grob gesprochen.
Seit längerem begleitete mich schon ein großes Unbehagen bei dem Gedanken, dass mir eine Realitätsvorstellung infiltriert wurde und wird, ich verstehe das als stetigen Prozess. Irgendwie war es folglich moralisch schwierig für mich, mich bewusst diversen Reproduktionen hinzugeben, wo ich zumindest in manchen Fällen zu wissen glaubte, welchem zweck sie dienen. Doch das Wörtchen „moralisch“ ist gefallen. Wenn mir jemand mit Moral daherkommt (der nicht ich selbst ist und selbst dann vielleicht), bin ich schon wieder im gleichen Spiel. Moral ist oftmals einer dieser Reproduktionsapparate. Der Versuch, sich selbst aus der „Realität“ zu nehmen, ist kein sinnvoller. Erstens ist man, so bald man sich das erste Mal Gedanken darüber macht, schon mitten drin und zweitens würde – banal gesagt – das Leben einfach keinen Spaß machen, wenn man versucht, sich permanent aus dem Konzept bzw. der Gesellschaft zu stellen. Doch sich zumindest Gedanken darüber zu machen, ist meiner Meinung nach legitim, sogar notwendig. Der Grat ist aber ein sehr schmaler, wie man zum Beispiel an Louis Althusser und Michel Foucault sehen kann, die meiner Ansicht nach als Personen gewissermaßen an der „Realität“ gescheitert sind, von einem Standpunkt innerhalb der Realitätsvorstellung betrachtet. Nicht jedoch ihre Theorien darüber, wie ich finde.
Was hat das ganze Geschwafel nun für einen Zweck? Keine Ahnung, vielleicht keinen. Vielleicht war mir gerade danach, das zu schreiben. Vielleicht, dass ich es nun mit meiner eigenen Moral problemlos verbinden kann, mir in Kürze ohne analytisches Interesse eine banale Sitcom anzusehen und dies als bereichernd zu erfahren, auch wenn ich Stuart Halls Konzepten der Machtreproduktion durch Massenmedien einiges abgewinnen kann. Vielleicht, dass ich bei einem Fußballspiel vorbehaltlos meine Mannschaft anfeuere, vielleicht, dass ich mich stets auf Weihnachten freue, wenngleich mir die religiösen Gründe dafür fehlen, vielleicht, dass ich manche Szenarien genieße, obwohl ich sie eigentlich kritisieren müsste, vielleicht dass es für mein Leben nur eine Logik gibt und zwar meine eigene.
Was hat das ganze Geschwafel nun für einen Zweck? Keine Ahnung, vielleicht keinen. Vielleicht war mir gerade danach, das zu schreiben. Vielleicht, dass ich es nun mit meiner eigenen Moral problemlos verbinden kann, mir in Kürze ohne analytisches Interesse eine banale Sitcom anzusehen und dies als bereichernd zu erfahren, auch wenn ich Stuart Halls Konzepten der Machtreproduktion durch Massenmedien einiges abgewinnen kann. Vielleicht, dass ich bei einem Fußballspiel vorbehaltlos meine Mannschaft anfeuere, vielleicht, dass ich mich stets auf Weihnachten freue, wenngleich mir die religiösen Gründe dafür fehlen, vielleicht, dass ich manche Szenarien genieße, obwohl ich sie eigentlich kritisieren müsste, vielleicht dass es für mein Leben nur eine Logik gibt und zwar meine eigene.
Zwar sind manche dargebrachten Gedanken auch etwas beängstigend, für mich bedeutet das aber keinesfalls, dass ich innerhalb dieser „Realität“ keine Räume finden darf, in denen ich mich wohl fühle. Mit dem sogenannten Wissen, das innerhalb einer Realitätsvorstellung gilt, möchte ich halt etwas vorsichtig sein. Ich möchte die Weisheit nicht mit Löffeln fressen, ohne sie mir genau anzusehen. Am Ende handelt es sich vielleicht um Analog-Weisheit, die mir den Magen verdirbt. Aber wer weiß, vielleicht würde ich es auch gar nicht merken. .
Warum ich arroganter, selbstverliebter Pseudo-Autor alles in der Ich-Form schreibe? Weil es für mich zutrifft und ich, zumindest soweit es mir bewusst ist, kein Prediger irgendwelcher Strukturen sein möchte (auch wenn das kaum möglich ist, wie man schon an dieser Niederschrift sieht). ..puh, die Leute müssen mich für komisch halten...
EDIT: Es geht mir im ersten Teil nicht darum, darauf zu pochen, wie geil Fußball ist. Zugegeben, ich mag's halt. Aber Dinge deswegen als nicht-kulturell zu bezeichnen, weil man sie nicht mag... - das war der Stimulus, um zu schreiben.
Warum ich arroganter, selbstverliebter Pseudo-Autor alles in der Ich-Form schreibe? Weil es für mich zutrifft und ich, zumindest soweit es mir bewusst ist, kein Prediger irgendwelcher Strukturen sein möchte (auch wenn das kaum möglich ist, wie man schon an dieser Niederschrift sieht). ..puh, die Leute müssen mich für komisch halten...
EDIT: Es geht mir im ersten Teil nicht darum, darauf zu pochen, wie geil Fußball ist. Zugegeben, ich mag's halt. Aber Dinge deswegen als nicht-kulturell zu bezeichnen, weil man sie nicht mag... - das war der Stimulus, um zu schreiben.