fängt sich's schon mal an. "Anders" is ja wertneutral, sagt also in etwa soviel aus wie "Wien ist vorhanden", ob man das nun gut findet, oder nicht, bleibt einem sehrwohl selbst überlassen.
Jetzt zum eigentlichen Grund meiner Niederschrift: Sämtliche der Stadt verliehenen (für die Stadt typische/symbolische) Attribute sind entweder obsolet, missinterpretiert oder glatt gelogen, hängt von der jeweiligen Seite der Betrachtung ab. Als Beispiele seien folgende genannt:
Zu aller erst der berühmte (oder doch berüchtigte?) "Wiener Schmäh", also ich weiß ja nicht, aber "Heast Oida, schleich di!" ("Oida" wahlweise durch "Hawara", "Wappla", "Gschupfta" usw. usf. ersetzbar) klingt weniger charmant, als man es dem Wiener gerne zuschreibt. Was hält also die Legende des Wiener Schmähs weiter am Leben? ...jaja, ich weiß schon, ironischerweise der tote Falco, aber den hab ich nicht gemeint... Wahrschscheinlich ist es die Tatsache, dass Wien-Touristen niemals auf die Idee kämen, solche Insultierungen könnten ernst gemeint sein. Und da sie die Aussage ansonsten nicht zuzuordnen vermögen, wird sie der mystisch-abstrakten Kategorie des "Wiener Schmähs" untergeordnet, um sich nicht eingehend mit ihr zu befassen. Oder es liegt daran, dass sich der gemeine Wien-Tourist ganz abgesehen vom Inhalt freut, dass überhaupt jemand mit ihm spricht, besonders wenn er Deutscher oder Franzose ist? Dem realen Wiener Schmäh entspricht eher der Erhalt eines maßlos geschärften Kebaps, weil man dem Verkäufer nicht gefällt und sogar der ist lustiger, da das saure Gesicht eigentlich nur Chili als Grund hat und nicht das Wahrnehmen von erschreckender Belanglosigkeit, mit der so manch Verzweifelter in der selbsternannten Weltstadt versucht, jeden Tag einzeln zu überleben.
Auch die "Wiener Gemütlichkeit" endet in Wahrheit beim Ausgang des Stammkaffeehauses, um vom Gehetze zur nächsten U-Bahn verdängt zu werden. Man könnte ja im schlimmsten Fall den nächsten Zug verpassen und somit gezwungen sein, ganze zwei Minuten warten zu müssen. Das irrsinnige Motiv dieses Ansinnens fußt auf der Unfähigkeit, den Weg als Ziel zu begreifen, so abgedroschen das klingt. Ein Wiener kann scheinbar nur am Ausgangspunkt oder am Ende eines Weges glücklich sein, aber niemals dazwischen. Es gibt kein entspanntes Spazieren, Schlendern oder gar Lustwandeln, da dies möglicherweise zu viel Zeit in Anspruch nehmen könnte, die man am Ende des Zieles scheinbar viel besser nutzen könnte. So wird's zumindest vermutet, denn nun zu etwas, das daraus resultiert und dass wienerischer ist, als etwas nur wienerisch sein kann: "Feidheit", dafür gibt's glaub ich keinen schriftsprachlichen Ausdruck. Jetzt kennen sich sicherlich manche nicht aus, aber der typische Wiener ist "feid", das will ich festgehalten haben. Er ist so erpicht darauf, genug Ressourcen anzusammeln, um nicht feid sein zu müssen, dass er sich selbst befremdet, wenn er es tatsächlich einmal nicht ist. Sogar im Urlaub will es ihm nicht gelingen.
Die traurige Liste der unpassendsten aber scheinbar typischen Klischees ließe sich noch um vieles erweitern, vielleicht mach ich das auch irgendwann, momentan fällt mir aber nur die nicht ganz so blaue Donau ein...
Und trotz allem lässt sich's dort ganz gut leben. Außerdem: Lichtblicke gibt's ja auch, zB Manner-Schnitten
Nachtrag:
070503
zur wiener gemütlichkeit(und: ja, zumindest in diesem punkt fühle ich mich bestätigt ;-)
http://www.orf.at/070502-11876/index.html
http://www.richardwiseman.com/quirkology/latest2.html
070926
um meinem ambivalenten wien-verhältnis genüge zu tun: im preuniversitären vakuum ist wien tatsächlich mehr als aushaltbar. darauf eine mannerschnitte!